6. Speratis tatsächlicher Nachlass

WOLFGANG MAASSEN, AIJP

Jean de Sperati starb am 26. April 1957. Er wurde in Aix-de-Bains begraben, womit diese Geschichte eigentlich ein Ende gefunden haben sollte – aber nicht hat. Denn entgegen der vertraglichen Vereinbarung mit der BPA arbeitete er selbst noch in den letzten Lebensmonaten an neuen Fälschungen. Der Tod ereilte ihn bei seinem Versuch einer weiteren Fälschung der „Basler Taube. Aber er hatte auch Material in seinem Archiv zurückgehalten. Diese „Reste“ – sie waren alles andere als das! – verkaufte seine Tochter Yvonne über die kommenden Jahre.


Einem Rechtsanwalt in Grenoble gelang es, zahlreiche dieser „Spätwerke“ de Speratis zu erwerben, die er dann dem Postmuseum in Paris übereignete. Für die Royal Philatelic Society London unternahmen es der schon erwähnte Robson Lowe und Carl Walske, diesen Spuren zu folgen und sie in einem erneut Aufsehen erregenden Buch 2001 zu veröffentlichen.[1] Rund 100 (!) weitere, bis dahin noch nicht bekannte Fälschungen konnten sie identifizieren, 23 Stempel, 33 Cachets und sieben Wachssiegel. Sie sind alle erstmals in diesem Werk dokumentiert.


Sperati-Sonderkatalog, Robson Lowe, 1972
Sperati-Sonderkatalog, Robson Lowe, 1972



Zu philatelistischen Ehren kam Jean de Sperati nie. Wohl aber wurde er am 1. Januar 1956, also noch zu Lebzeiten, von der „Fondazione Universitaria Accademia di Scienze, Lettere ed Art“ in Venedig noch zum Ehrenmitglied ernannt, womit man ausdrücklich seine besonderen Leistungen auf dem Gebiete der Kultur, Wissenschaft und Kunst sowie auf dem Gebiet der künstlerischen Reproduktionen anerkennen wollte.


Sperati-Sonderkatalog, Stanley Gibbons, 1974
Sperati-Sonderkatalog, Stanley Gibbons, 1974



Jean de Speratis Vermächtnis ist das Signal, dass die Kombination eines meisterhaften Philatelisten, der viel um Philatelie, um Marken und ihre Entstehung weiß, mit einem Könner im graphischen Druckgewerben, der alle Facetten der Herstellungstechniken, der Papiervarianten und ihrer Produktion kennt, höchst gefährlich ist, auch für die heutige Philatelie. Seine Fälschungen klassischer Marken aus nahezu 100 Ländern mögen zwar heute als Kunstwerke angesehen werden, aber es ist und bleibt eine Kunst, die infiziert – und nicht nur fasziniert.



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[1] Walske, Carl: New Sperati Discoveries, A Display at the Royal Philatelic Society, 3 May 2001; Sonderdruck/Leseprobe vom Antiquariat Burkhard Schneider, Gelnhausen 2002; in diesem Buch wird auch das letzte Manuskript Jean de Speratis zur technischen Herstellung seiner Marken (bis auf einen kleinen, bestenfalls für Fälscher wichtigen) Teil erstmals publiziert, außerdem alle Neuentdeckungen!